Ruhe auf dem Balkon! Das möchte ich mit diesem Artikel laut in die Welt hinausrufen. Denn es scheint mir, dass die Besserwisser immer mehr und insbesondere lauter werden. Und sich die Negativität dadurch weiter auszubreiten beginnt. Und genau dieser Negativspirale habe ich den Kampf angesagt. Doch lassen Sie uns zuerst eine kurze Reise in die Vergangenheit unternehmen.
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ToggleWarum wir mehr Batteriewechsler und weniger Besserwisser, Nörgler und anonyme Kritiker brauchen
Es war ein gewöhnlicher Dienstag Nachmittag im November. Wie so häufig saß die komplette Abteilungsleiter-Riege im Besprechungsraum des Warenhauses zum wöchentlichen Jour-Fix zusammen. Als Geschäftsführer nutzte ich diese Termine u.a. dazu, um die Führungskräfte über alle aktuellen Themen zu informieren. An jenem Tag sollten die einzelnen Abteilungen ihre Maßnahmen für das kommende Weihnachtsgeschäft vorstellen.
Den Start machte Frau Müller (was nicht ihr echter Name ist) aus der DOB (was für Damenoberbekleidung steht). Doch als sie mit dem Präsenter zur ersten Power Point Folie klicken wollte, geschah etwas. Nämlich nichts. Hektisch klickte sie auf der Fernbedienung herum und starrte voller Hoffnung auf die Leinwand. Doch auch der zehnte Klick auf den Präsenter brachte keine Veränderung: Immer noch war der Startbildschirm zu sehen, die Technik wollte einfach nicht funktionieren.
Es dauerte nicht lange, bis das Gemurmel im Raum losging. “Es müsste dringend jemand etwas tun” sagte einer. “Typisch IT-Abteilung, nicht mal das bekommen sie hin” sagte jemand anders. Und eine dritte Person beklagte sich: “Kein Wunder, bei der uralten Ausstattung, mit der wir hier arbeiten müssen kann das ja nicht klappen”.
Fast alle Abteilungsleiter stimmten in das Wegklagen und die Schuldzuweisungen ein. Und es wurde heftigste Kritik geübt: An den Technikern, der Verwaltung, der Zentrale, an der unfähigen (weil technisch völlig unbegabten) Kollegin und sogar am Vorstand. Die Stimmung kochte.
Und das nur, weil ein Präsenter nicht funktionierte. Wahrscheinlich wäre es noch länger so weitergegangen, wenn nicht die junge Abteilungsleiterin aus der Parfümerie etwas getan hätte, womit keiner rechnete. Sie kramte in ihrer Tasche, erhob sich von ihrem Platz und ging wortlos nach Vorne. Dann ließ sie sich von der verdutzten Frau Müller den Präsenter geben, öffnete die Verschlussklappe und wechselte die Batterien. “So”, ließ sie ihre Kollegen wissen, “jetzt geht´s wieder. Wir können weitermachen!”
Aus der sicheren Entfernung kritisiert es sich leicht
An dieses Erlebnis musste ich in letzter Zeit häufig denken. Denn mich beschleicht das Gefühl, dass immer weniger Menschen selber etwas wagen, erschaffen oder umsetzen. Und die Mutigen, die sich trauen, müssen sich dann mit Kritikern auseinandersetzen, die meist ungefragt, sowie mit sicherem Abstand aus der Ferne ihre Meinung kundtun, unter der Gürtellinie attackieren und grundsätzlich der Meinung sind, alles besser zu wissen.
Natürlich würden diese Besserwisser ihnen das nie ins Gesicht sagen. Stattdessen versteckt man sich in der Anonymität des Internets und kann endlich mal das sagen, was man schon immer mal sagen wollte. Es kommt mir ein wenig so vor wie bei der Muppet Show. Können Sie sich noch erinnern? Dort saßen die beiden Senioren Waldorf & Statler auf ihrem gemütlichen Balkon und haben alles kommentiert, zerrissen und in den Kakao gezogen, was sich unten auf der Showbühne abspielte.
Und gibt es nicht auch im wahren Leben genau diese zwei Sorten von Menschen? Die einen, die Handeln, Bewegen und Verantwortung übernehmen. Die Unternehmer, Feuerwehrleute, Krankenschwestern, Schiedsrichter, Schriftsteller, Selbständigen, Gründer, Polizisten und alle anderen Menschen wie Sie und ich, die machen, tun und produktiv tätig sind. Und wer handelt, der macht zwangsläufig Fehler. Wird dadurch angreifbar. Bietet sich als perfekte Zielscheibe an.
Und dann gibt es da noch die anderen. Diejenigen, sich weit entfernt vom tatsächlichen Geschehen aufhalten. Die umgehend in Deckung gehen, wenn es heiß wird, wenn es weh tut, wenn es ans Eingemachte geht. Sich aber natürlich trotzdem das Recht herausnehmen, die Taten der handelnden Menschen auf der weit entfernten Showbühne des Lebens zu kritisieren, zu beurteilen und zu zerreißen.
Konstruktive Kritik vs. anonyme Beschimpfungen
Und nur damit wir uns richtig verstehen, ich spreche hier nicht von konstruktiver Kritik. Diese ist nicht nur hilfreich, sondern für Veränderung absolut notwendig. Nein, ich spreche vor allem von dem zunehmenden anonymen Bashing, das teilweise absurde Formen annimmt.
Doch woran liegt das? Ist es mangelndes Selbstbewusstsein, Neid oder eine generelle Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben? Ich weiß es nicht. Aber eines weiß ich: Es nervt! Gerade gestern habe ich wieder zwei Bewertungen für meine Bücher auf Amazon gelesen. Beides waren 1 Sterne Rezensionen. Beide gingen nicht mit einem Wort auf den Inhalt ein, sondern strotzten nur so vor persönlichen Anfeindungen.
Und selbstverständlich hat sich keiner der beiden „Kritiker“ getraut, unter seinem echten Namen zu schreiben. Hinter der sicheren Maske von Pseudonymen kommen einem verbale Tiefschläge eben viel leichter über die Lippen, bzw. Tasten. Natürlich weiß ich, dass meine Meinungen, meine Inhalte und meine Persönlichkeit durchaus polarisieren. Trotzdem habe ich mit diesen anonymen Beschimpfungen vom Balkon grundsätzlich ein Problem.
Warum? Ich persönlich habe diesbezüglich ein dickes Fell und bin gut in der Lage, dem entgegenzutreten. Das kostet zwar Kraft, ist für mich aber auch der Preis, den ich dafür zahle, exponiert auf der Showbühne zu stehen.
Doch für viele andere Menschen kann so etwas durchaus existenzbedrohend sein. Denken Sie an das inhabergeführte Restaurant (da fallen auf einschlägigen Bewertungsportalen Worte wie „ekelhaft“ „widerlich, „unzumutbar“), den kleinen Laden um die Ecke („furchtbarer Service“, „unfreundlich“, „furchtbar“) oder die Tagesmutter aus dem Nachbarort („kann nicht mit Kindern“, „wird schnell wütend“, „ungeeignet“).
Es reicht! Eine Aufforderung an alle Besserwisser und anonymen Nörgler
Ich für mich habe beschlossen, diese Entwicklung nicht mehr nur schweigend hinzunehmen. Im Namen aller produktiven, mutigen und handelnden Menschen möchte ich den besserwisserischen Kritikern daher zurufen:
„Wir freuen uns über jede konstruktive Kritik, weil wir wissen, dass wir uns nur so weiterentwickeln, besser werden und wachsen können. Wir können auch mit direkten Worten, harten Argumenten und Klartext leben, wenn diese Form der Kritik wertschätzend und mit offenem Visier kommuniziert wird.
Ansonsten gilt: Ruhe auf dem Balkon! Wir haben keine Lust auf Besserwisser, Nörgler und Miesepeter, die uns ungefragt als Projektionsfläche ihrer eigenen Ängste benutzen. Wir brauchen Eure Kommentare aus der sicheren Entfernung nicht. Wir brauchen auch keine Belehrungen, Beschimpfungen oder Miesmacherei.
Wenn ihr mitreden wollt, dann verlasst den bequemen Balkon und kommt zu uns auf die Showbühne. Dahin, wo es weh tut. In die Hitze des Gefechts. Dorthin, wo Blut, Schweiß und Tränen fließen. Die Welt braucht keine weiteren Menschen, die ganz genau wissen, was die anderen alles falsch machen. Stattdessen braucht die Welt dringend mehr Menschen wie meine junge Abteilungsleiterin. Sie braucht mehr Batteriewechsler. Sie braucht Menschen, die mutig handeln, Fehler machen und Verantwortung übernehmen.“
Ruhe auf dem Balkon! Die Welt braucht mehr Batteriewechsler
Es ist Zeit, eine Entscheidung zu treffen.
Wollen wir Verantwortung übernehmen, oder die Leistungen anderer zerreden?
Gehen wir dahin, wo es weh tut, oder kritisieren wir das Geschehen vom bequemen Balkon aus?
Wollen wir Batteriewechsel oder Besserwisser sein?
Wir alle haben jeden Tag die Wahl!
Wofür entscheiden Sie sich?
Herzliche Grüße Ihr Ilja Grzeskowitz